Möglichkeiten und Grenzen beim Pflegen von Angehörigen: Das erkunden in Rorschach 130 Beteiligte aus den vier Ländern des Bodenseeraums. Diese Alterstagung vermittelt Erfahrungen und Einblick in neuartige Projekte.
Als roter Faden zieht sich ein doppeltes Ziel durch das ganztägige Arbeitstreffen im Rorschacher Stadthof: Die Alterspflege in Familien bewahren und Angehörige mit dieser grossen Aufgabe nicht allein lassen.
Den Grundstein legt Maik H. Winter, Dekan der Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege der Hochschule Ravensburg-Weingarten. Er legt aufgrund vertiefter Analysen dar, dass die wachsende Gesellschaft des langen Lebens auch Chancen bietet. In Gruppen tauschen die Teilnehmenden – Leute, die in Familie, Organisationen oder Ämtern an der Alterspflege beteiligt sind – dann Erfahrungen, Informationen über Projekte und Ideen aus. Sie erhalten zum Beispiel Einblick in das Angebot, dass die Spitex wie im Limmattal pflegende Angehörige anstellt – ähnlich wie Fachpersonal.
Pflegebedürftige werden mehrheitlich zu Hause betreut. Das entlastet die Gesellschaft von hohen Kosten, hat aber noch gewichtigere Vorteile – besonders mehr menschliche Zuneigung. Über unterschiedlichste Organisationen unterstützen Mitarbeitende und Freiwillige pflegende Angehörige, damit das möglich bleibt. Die Tagung in Rorschach vermittelte Einblick in Beispiele aus der Praxis.
Pflegende Angehörige stützen
Nachbarschaftshilfe kann die stark beanspruchten Angehörigen entlasten. In Württemberg gibt es solche Hilfe in organisierter Form, mitgetragen von den Kirchen, und mit Vermittlung der dafür nötigen Kenntnisse. In der Schweiz bieten die Regionalstellen der Pro Senectute umfangreiche Beratung und Begleitung an. In Liechtenstein begleiten in Kursen vorbereitete Freiwillige der Hospizgruppe Schwerkranke, Sterbende und Trauernde.
Hilfreich ist für die pflegenden Angehörige auch, wenn ihnen Helfer andere Arbeiten abnehmen. In Vorarlberg engagieren sich dafür Freiwillige in Seniorenbörsen (wie bei uns in Zeitbörsen) mit Angeboten von Lesehilfe für Kinder bis zu Arbeiten in Haus und Garten.
Der Rorschacher Hans-Paul Candrian strebte als Leiter der Vorbereitung und der Tagung an, dass die Teilnehmer vor allem solche Einblicke in Möglichkeiten zur Stützung von pflegenden Angehörigen erhalten und voneinander lernen können. Das gelang, wie gestern abend das abschliessende Podiumsgespräch unter Leitung des Rorschachers Richard Lehner zeigte. In diesem hoben Albert Baumgartner, Franz Josef Jehle, Erwin Mohr und Christine Rex als Leiter der Themengruppen einen Punkt hervor: Staatliche Stellen sollen den Einsatz von Angehörigen und Helfern nicht ausnützen, sondern stärken, indem sie ihren Teil dieser Aufgabe voll erfüllen.
Neu für den ganzen Seeraum
Die Tagung entstand durch Ausbau der Rheintaler Alterstagung. Angeregt von Hans-Paul Candrian, Leiter des Regionalkomitees der Pro Senectute, kam über die Seniorenplattform Bodensee das deutsche Gebiet am See hinzu. Rorschacher übernahmen auch die erste Durchführung in dieser neuen Form.
Fritz Bichsel, Tagblatt Online, 8. November 2014
Die nächste Alterstagung folgt 2016 in Deutschland.